Online-Wahlkampf, Soziale Medien und Social Bots – zum Wahljahresabschluss eine Übersicht
Spätestens, wenn ganz Deutschland mit Politiker*innen-Plakaten zugekleistert ist, bekommen Alle mit, dass bald Bundestagswahlen anstehen.
Und obwohl ein Stadtspaziergang zu dieser Zeit den Anschein erwecken könnte, erschöpft sich der Wahlkampf schon lange nicht mehr im Drucken von Plakaten und dem Verteilen von Flyern. Längst findet der Wettbewerb um die Stimmen der Wähler*innen auch online statt – Wahlprogramme sind auf der Homepage der jeweiligen Partei einsehbar, Neuigkeiten zum Wahlkampf werden täglich auf Twitter geteilt und Wahlkampfspots auf Facebook verbreitet. Die Frage, wie wichtig Soziale Medien und ihr Einfluss auf die Wahlentscheidung ist, wird nicht erst seit dem Wahlerfolg von Donald Trump und den Manipulationsvorwürfen im amerikanischen und französischen Präsidentschaftswahlkampf heiß diskutiert.
Zahlen zum Online-Wahlkampf in Deutschland
Der Prozess der Meinungsbildung ist unheimlich komplex und die Einflüsse sozialer Medien sind Gegenstand vieler Untersuchungen. Wie direkt oder indirekt Wahlentscheidungen online beeinflusst werden, kann aufgrund der Vielschichtigkeit jedoch kein Forschungsergebnis genau sagen, da immer nur einzelne Faktoren betrachtet werden können. Fakt ist jedoch, dass Soziale Medien eine immer größere Rolle spielen und somit auch ein wichtiger Teil des digitalen Online-Wahlkampfes sind.
Für den Wahlkampf 2017 belief sich das Gesamtbudget der SPD auf 24 Millionen Euro, die CDU wendet 20 Millionen auf, die Mittel der CSU kommen hier noch hinzu (2013 waren es 9 Millionen). Wie viel für den Online-Wahlkampf eingeplant wurde, dazu machten die beiden Volksparteien keine Angaben. Lediglich die FDP ist mitteilsam: 500.000 Euro von ihrem 5 Millionen Euro Gesamtbudget hat sie für den Online-Wahlkampf ausgegeben.
Können deutsche Politiker*innen Social Media?
Das wichtigste Medium im Online-Wahlkampf in Deutschland ist unbestritten die Plattform Facebook. Hier können die meisten potentiellen Wähler*innen erreicht und durch die Werbealgorithmen zielgruppenspezifische Inhalte gestreut werden. Während Twitter vor allem genutzt wird, um andere Politiker*innen und Multipikator*innen zu erreichen, wird auf Facebook direkt mit dem Wahlvolk kommuniziert. Andere Kanäle wie Instagram und Snapchat werden zwar zunehmend genutzt, um vor allem junge Wähler*innen anzusprechen, die Auswirkungen und Einflussmöglichkeiten sind aber noch relativ gering.
Für eine erfolgreiche Social Media-Kampagne müssen vor allem die einzelnen Abgeordneten mitwirken, indem sie selbst aktiv sind und Inhalte teilen. Im Zuge der Bundestagswahl hat der Tagesspiegel in Kooperation mit dem Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW) in Leipzig die Social Media-Aktivitäten aller Kandidierenden ausgewertet. Bei der Auswertung fällt auf, dass noch immer nicht alle eine professionelle Facebook-Seite haben. Auf Twitter ist nur rund die Hälfte aktiv.
Der Wahlkampfauftritt der Parteien war in den sozialen Medien unterschiedlich – und auch hier galt, wie so oft: das größte Budget macht nicht gleich die beste Kampagne. In Erinnerung geblieben ist vor allem die FDP mit dem allgegenwärtigen Christian Lindner in Schwarzweiß. In den sozialen Medien machte sie die Digitalisierung selbst zum Thema und veröffentliche beispielsweise verwackelte Handyvideos in schlechter Qualität, um den unzureichenden Netzausbau zu kritisieren.
Wie politische Randgruppen ihren Online-Auftritt inszenieren
Auch die AfD konzentrierte sich in ihrem Wahlkampf stärker auf ihren Online-Auftritt als andere Parteien. Dabei schaffte sie es mehrmals ihre Twitter-Hashtags unter den Top Ten zu platzieren. Auch schien ihre Online-Community besonders motiviert gewesen zu sein, denn die Inhalte der AfD riefen sehr viel mehr Interaktion hervor, als bei den anderen Parteien. Damit schließt sich die AfD dem Auftritt anderer rechtspopulistischer Parteien im Netz an, der schon in den Wahlkämpfen in anderen europäischen Ländern als sehr stark aufgefallen war.
Christoph Neuberger, Medienprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München beschreibt, dass vor allem kleinere, radikalere Parteien noch stärker auf Social Media setzen. Ein Grund ist, dass diese Parteien immer wieder behaupten, die Medien gäben ihre Positionen nicht richtig wieder. Online lässt sich das umgehen, indem einfach direkt mit den Wähler*innen kommuniziert wird.
Echt oder nicht, wahr oder falsch? Social Bots, Dark Ads und Fake News
Ein Punkt, der beim Thema Online-Wahlkampf und Social Media immer wieder angesprochen wird, ist die Beeinflussung der Meinungsbildung durch Manipulation. Wichtiges Stichwort dabei sind Social Bots, selbstständige Computerprogramme, die in sozialen Medien aktiv sind, Accounts simulieren, vorgeschriebene Postings absetzen, aber auch autonom in der digitalen Welt agieren, indem sie Personen folgen oder bestimmte Hashtags benutzen.
Social Bots haben also das Potential, die Stimmung im Internet zu beeinflussen, beispielsweise indem sie in wenigen Sekunden tausende Posts absetzen, die bestimmten Themen viel schneller zu einer viel größeren digitalen Reichweite verhelfen, als diese es sonst geschafft hätten. Verbunden mit der Diskussion um den Einsatz von Social Bots ist die Debatte um „Fake News“, also Falschmeldungen, die absichtlich online gestreut werden, um Nutzer*innen zu manipulieren und in einer bestimmten Ansicht zu stärken.
Ein weiteres Stichwort bezüglich der gezielten Manipulation von Wähler*innen sind sogenannte Dark Ads, eine Anzeigemethode, die auf dem Micro-Targeting basiert. Dabei werden politische Anzeigen auf spezifische Merkmale der Wähler*innen (Alter, Geschlecht, Wohnort usw.) abgestimmt. Die Problematik daran ist, dass es theoretisch möglich wäre, dass eine Partei widersprüchliche Versprechen an unterschiedliche Zielgruppen verteilen könnte.
Noch ist nicht alles verloren
Über die Möglichkeiten der Beeinflussung der (politischen) Meinungsbildung und in der Konsequenz auch auf die Wahlentscheidung wird zwar gesprochen und aufgeklärt, doch darf den sozialen Medien in Deutschland, in Bezug auf Nachrichten, auch nicht mehr Reichweite zugesprochen werden, als sie haben.
Dem Digital News Survey 2017 des Hans-Bredow-Institutes zufolge gaben nur 43 Prozent der Befragten an, auf einem der abgefragten Dienste Nachrichten gelesen, geteilt oder diskutiert zu haben. 25 Prozent derjenigen, die in sozialen Medien mit Nachrichten in Kontakt gekommen sind, folgen einem Politiker, einer Politikerin oder einer Partei. Nachrichten sind in sozialen Medien also relevant, ihr direkter Einfluss aber noch relativ gering. Immerhin geben nur 1,6 Prozent der Befragten an, dass Soziale Medien ihre einzige Nachrichtenquelle sind.
Trotzdem steht außer Frage, dass vor allem die technischen Entwicklungen und ihr Manipulationspotential ernst genommen werden müssen. Diese Veränderungen zu thematisieren und darüber zu diskutieren ist Teil unserer Arbeit als Agentur für strategische Kommunikation.
Wer mehr über das Thema erfahren möchte kann sich hier den Podcast zum Thema „Fake News, Bots und digitaler Überfluss – Wie neue Medien unsere Demokratie verändern“ anhören aus der Diskussionsrunde der Salzburger Nachrichten und der Forschungsgruppe Medienwandel am 23. November 2017 in Salzburg, an der Kristina Scheuermann, für Plan W als Expertin für Wahlkampf im Netz, teilgenommen hat.